Die Herausforderung:
Auf den Titel „Universitätsstadt“ will Tübingen
doch nicht verzichten. Es ist nun mal die Universität, die der Stadt in der Welt einen Namen verschafft. Ob die Universität in der Excellenz-Initiative erfolgreich ist, wird auch die Entwicklung Tübingens beeinflussen. Bedauerlicherweise
ist das Verhältnis zwischen Stadt und Universität auf der Ebene der Führungspersonen gegenwärtig schwer belastet.
Dieses Verhältnis wieder auf die Basis gegenseitiger Unterstützung zu stellen, ist eine dringliche Aufgabe.
Die Universität ist auch der mit Abstand größte Arbeitgeber in der Region. Das bedeutet
allerdings, dass die Stadt von ihrem größten
Flächennutzer keine Grund- und Gewerbesteuer
erhält. Der große Studierendenanteil bringt höhere Sozialkosten, aber unterdurchschnittliche
Kaufkraft mit sich. Gewerbebetriebe
waren den Professoren im 19. Jahrhundert nicht willkommen. Seither steht Tübingen im Ruf, eine wirtschaftsfeindliche Stadt zu sein. Naturgegebene Beschränkungen bei der Verfügbarkeit
von Gewerbeflächen verschärfen das Problem.
Bei dieser Ausgangslage hat die Stadt die Wirtschaftsförderung nahezu eingestellt. Die OB ist mittlerweile auch noch Wirtschaftsbürgermeisterin,
die Wirtschaftsförderungsgesellschaft
ist mit zwei Stellen völlig unterbesetzt und kann sich praktisch nur um den Technologiepark
kümmern. Dieser steht seit seiner Errichtung größtenteils leer und belastet den Haushalt. Das Stadtmarketing ist unterentwickelt,
die Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen ist verbesserungswürdig. Die Neue Messe auf den Fildern war für den Landeshaushalt
eine überteuerte Investition. Dass Tübingen die daraus entstehenden Chancen für Tourismus und Wirtschaft nicht nutzt, ist dennoch unverständlich.
Das Programm für Tübingen:
Die Stadt muss der Universität im härter werdenden
Wettbewerb um Gelder den ProfessorInnen,
Dozenten und Studierenden jede sinnvolle Unterstützung bieten. Die Universität
ist ohnehin gegenüber der Konkurrenz in Heidelberg und Freiburg im Nachteil, weil die beiden anderen Städte deutlich größer sind und sowohl wirtschaftlich als auch bei den so genannten weichen Standortfaktoren mehr bieten können als Tübingen.
Das wird sich bei den absehbar steigenden
Studierendenzahlen zum Beispiel am Wohnungsmarkt auswirken. Tübingen muss sich mehr anstrengen als größere Städte, um zusätzlich 5.000 Studierende unterzubringen. Gelingt dies nicht, schadet das der Universität.
Wir müssen deshalb neue Wege gehen! So sollte die Stadt geeignete Grundstücke in Erbpacht für den Bau von Studierendenwohnheimen
zur Verfügung stellen oder Hausbesitzern,
die leer stehende Wohnungen erstmals vermieten wollen, mit Rat und Hilfe zur Seite stehen.
Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Stadt und Universität bei allen anstehenden
Entscheidungen, die für beide von Bedeutung sind, ist unabdingbar. Dazu muss es einen neuen Stil im Rathaus geben. Die Regelung der inneren Angelegenheiten der Universität ist kein Kompetenzbereich des Tübinger
Oberbürgermeisters – die Entwicklung eines Campus entlang der Wilhelmstraße aber sehr wohl.
Die Stadt hat mit dem Technologiepark den Versuch unternommen, von der Wissenschaft auch für die wirtschaftliche Entwicklung zu profitieren. Leider war dieser Versuch bislang weitaus weniger erfolgreich als zunächst erhofft.
Es zeigt sich auch, dass bei der Konzeption
des ersten Gebäudes Fehler gemacht wurden. Es fehlt an Büroflächen – die Labors hingegen sind überdimensioniert.
Obwohl diese Entscheidungen nicht von der Stadt getroffen werden konnten, lasten die Verträge mit der Förderbank des Landes der Stadt einen Großteil des Vermietungsrisikos auf. Das ist keineswegs die Regel. Technologieförderung
sollte das Land betreiben, nicht eine finanzschwache Stadt. Hier müssen neue Verhandlungen geführt werden! Tübingen kann sich jährliche Kosten von 750.000 Euro für Laborflächen nicht leisten. Die Stadt hat getan, was von ihr verlangt werden konnte: Jetzt ist das Land wieder gefordert.
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Als sehr erfolgreiches Angebot an Existenzgründerinnen
und -gründer aus dem wissenschaftlichen Bereich hat sich die Bereitstellung
günstiger Räumlichkeiten in einer angenehmen Arbeits- und Lebensumwelt erwiesen. Wenn KiTa, Mittagstisch, Wohnung und Arbeitsplatz zu Fuß erreichbar sind, lassen sich Ideen am besten in wirtschaftlichen Erfolg umsetzen. Das Prinzip nutzungsgemischter Quartiere ist deshalb genau die richtige Antwort
auf die Bedürfnisse von Gründungswilligen
aus der Universität. Hier hat Tübingen sich einen Vorsprung erarbeitet, den es weiter auszubauen gilt.
Die Wirtschaftsförderung in Tübingen muss neu geordnet werden. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft
muss zum ersten Ansprechpartner
der Wirtschaft ausgebaut werden. Diese Aufgabe kann nicht vom OB allein übernommen werden. Ich halte es für richtig, die durch die Einsparung des dritten Beigeordneten
frei gewordenen Mittel hier wieder zu investieren.
Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft braucht eine dynamische Geschäftsführung, die von der Wirtschaft anerkannt wird und sich um all ihre Belange kümmert. Die Gesellschaft
soll nach dem Prinzip „one face to the customer“ arbeiten und eine Lotsenfunktionen in allen Genehmigungs- und Verwaltungsverfahren
übernehmen. Hierzu ist auch eine Kooperation mit dem Landratsamt notwendig. Wer in Tübingen ein Gewerbe gründen, ausbauen
oder neu gestalten will, soll in Zukunft alle erforderlichen Informationen aus einer Hand erhalten.
Eine bislang völlig vernachlässigte Aufgabe
der Wirtschaftsförderung besteht darin, die Ansiedlung kleiner, innovativer Unternehmen in den Stadtquartieren anzuregen. Gerade für die Zukunftsbranchen im hochwertigen Dienstleistungssegment bieten solche Quartiere
ideale Voraussetzungen. Familie, Beruf, Kultur und Alltag miteinander zu vereinbaren, ist eine Qualität, die kein Gewerbegebiet an der Autobahn bieten kann.
So wie die Region Stuttgart eine erfolgreiche
Wirtschaftsförderungsgesellschaft hat, so sollten auch wir im Oberzentrum Reutlingen-Tübingen daran gehen, das Kirchturmdenken zu überwinden: Ich strebe an, mit der in dieser
Hinsicht wesentlich besser aufgestellten Nachbarstadt die Wirtschaftsförderung im Oberzentrum gemeinsam zu betreiben. Beide Partner können dann ihre jeweiligen Stärken einbringen.
Zehn Jahre nach seiner Ausweisung ist das einst hoch umstrittene Gewerbegebiet in der Neckaraue wegen der großen Flächenansprüche
heutiger Betriebsabläufe nahezu vollständig
mit Optionen belegt. Eine der letzten Flächen hat sich das Klinikum gesichert, um dort im Bedarfsfall eine Großküche errichten zu können. Ich setze mich dafür ein, diese Küche
in den vorhandenen Räumen der Mensa Morgenstelle unterzubringen und so wertvolle Flächen für die Neuansiedlung von Betrieben zu erhalten. Im Steinlachwasen kann die Stadt weitere größere Gewerbeflächen im Bestand erschließen, der erfolgreiche Handwerkerpark muss eine Fortführung finden. Eine weitere Ausdehnung der Gewerbeflächen ins Neckartal
halte ich hingegen nicht mehr für sinnvoll.Zur Stärkung des örtlichen Handwerks sollte die Stadt die Ausschreibungen auf die Fälle beschränken, in denen dies rechtlich vorgeschrieben
ist oder durch Verhandlungen keine guten Angebote zu erzielen sind. Selbstverständlich
müssen aber auch bei beschränkten Ausschreibungen und freihändigen Vergaben Transparenz und fairer Wettbewerb gewährleistet
sein. Das Handwerk wird auch profitieren,
wenn das Tempo der Entwicklung von Brachflächen in Tübingen deutlich zunimmt. Der Handel erhält neue Impulse, wenn mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut angebundene Quartiere zusätzliche Kaufkraft in die Stadt bringen.
Erfolgreiche Wirtschaftspolitik muss in Tübingen
die weichen Standortfaktoren betonen und mit günstigen Rahmenbedingungen für wissenschaftsnahe Betriebe und Existenzgründungen
werben. Wenn dazu eine erstklassige Wirtschaftsförderung und eine unternehmensfreundliche
Verwaltung kommen, entstehen auch die Arbeitsplätze.
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