Die Herausforderung:
Die Teilorte sind allesamt von einem starken Eigenleben, regen Vereinsaktivitäten und großem Zusammenhalt gekennzeichnet. Sie bereichern Tübingen und erst zusammen mit den Stadtteilen erreichen wir die Größe und Bedeutung einer Stadt mit den Funktionen eines Oberzentrums.
Doch auch über 30 Jahre nach den jüngsten Eingemeindungen gibt es zwischen der Kernstadt und den Stadtteilen wie auch zwischen den Stadtteilen selbst spürbare Unterschiede
in der Art, zu leben. Konkurrenzen zwischen den Teilorten bei der Ausstattung mit städtischen Einrichtungen sind erhalten geblieben. So manches nicht eingelöste Versprechen
aus den Eingliederungsverträgen wird heute noch beklagt.
Der Bedarf an Sportstätten oder öffentlichen
Versammlungsräumen ist nicht in allen Teilorten gedeckt. Um manche Einrichtungen am Ort muss gekämpft werden, wie etwa in Bebenhausen um den Kindergarten. Der Rückgang der Kinderzahlen wirft auch die Frage auf, wie die Grundschulen gesichert werden können. Die Oberbürgermeisterin hatte sogar den Plan gefasst, Rathausfunktionen
aus den Ortschaften abzuziehen. Auch die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs bereitet Sorgen. Im Neckar- und Ammertal ist der Durchgangsverkehr an den Hauptstraßen ein Problem, Hochwasser gefährdet
an vermeintlich kleinen Zuflüssen des Neckars die Ortslagen.
Verschiedentlich wird in den Stadtteilen auch der Ruf nach mehr Eigenständigkeit laut. So sind Bürgerentscheide über eigene Angelegenheiten faktisch ausgeschlossen und tatsächlich noch nie vorgekommen.
Das Programm für Tübingen und seine Teilorte:
Über 30 Jahre nach Abschluss der Eingliederungsverträge
ist es Zeit, Bilanz zu ziehen, um nach vorne blicken zu können. Wenn formell weiterhin gültige Verträge Hallen, Feuerwehrhäuser
und Bäder versprechen, die nie gebaut wurden (und dies nach wie vor Anlass zu Diskussionen ist), dann muss darüber noch einmal debattiert werden.
Ich halte es deswegen für richtig, die alten Verträge ein letztes Mal auf den Tisch zu legen und mit allen Teilorten gemeinsam zu diskutieren,
welche der damals gemachten Zusagen heute nicht mehr zeitgemäß oder erledigt sind und wo weiterhin Bedarf besteht. Dann sollte die Geschichte der Eingliederungsverträge durch einen formellen Beschluss in den Ortschaften
und im Gemeinderat zu einem versöhnlichen
Abschluss geführt werden.
Die weiterhin bestehenden Wünsche zum Ausbau der Infrastruktur müssen durch eine aktuelle Bedarfsanalyse ergänzt werden. Auch hier halte ich es für richtig, mit allen Teilorten gemeinsam zu erörtern, wo der Wunsch nach sozialer, kultureller und technischer Infrastruktur
heute am stärksten und am besten zu begründen
ist. Daraus sollte ein Investitionsplan für einen Zeitraum von zehn Jahren entstehen, auf den die Teilorte sich verlassen können. Prioritätensetzung, Kompromisse, gemeinschaftliche
Nutzungen und gelegentlich auch Verzicht sind hier gefordert. Im Rahmen einer solchen Debatte müssen viele Projekte in eine Rangfolge gebracht werden. Ich will mich im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der Stadt für alle Teilorte stark machen.
Im Kapitel über sparsames Wirtschaften stelle ich dar, wie ich die Sanierung städtischer Gebäude angehen will. Die Erneuerung der Heizungsanlagen der Rathäuser in Hagelloch, Pfrondorf und Weilheim, die energetische Sanierung des Kindergartens in Hagelloch und die Dachsanierung der Uhlandschule in Hirschau sind Beispiele für notwendige Investitionen,
die sowohl der Umwelt als auch der Stadtkasse nützen.
Der Hochwasserschutz in Lustnau und in Bühl wird eine große finanzielle Anstrengung erfordern. Dabei sollten wir im Bühler Tal darauf achten, dass eine Lösung gefunden wird, die landschaftsverträglich ist. Die Feuerwehren
benötigen auch in Zukunft eine gute Ausrüstung. Das können wir uns leisten, wenn wir bei den doppelten Leitstellen von Rettungsdienst
und Feuerwehr sparen. Pfrondorf benötigt
eine bessere Unterkunft für die Feuerwehr, viele Fahrzeuge in den Wachen sind in die Jahre gekommen.
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Sportangebote müssen im Ort möglich sein. Deshalb sollen die Ortschaften auch bei der Sportentwicklungsplanung angemessen
berücksichtigt werden. Die Sanierung des Trainingspielfeldes in Bühl, der Rasensportplätze
in Hirschau und Pfrondorf und die Finanzierung der Kleinspielfelder bei der Pfrondorfer Schönbuchhalle sind Beispiele für wichtige Maßnahmen in diesem Kontext.
Den Radverkehr zu stärken, heißt auch, die Wege in die Teilorte zu verbessern. Ein neuer Belag auf der Verbindungsstraße zwischen Weilheim und Kilchberg ist zusätzlich für den Busverkehr wichtig. Die Verkehrsverbindungen in Zusammenarbeit mit Kreis und Land durch einen Bahnhaltepunkt in Kilchberg und Bühl rasch zu verbessern, ist für mich ein vordringliches
Ziel.
Wo sich die Ortschaften für mehr Verkehrssicherheit
einsetzen, sollte die Stadt bei der Finanzierung nicht zurückstehen, zumal dann, wenn eine Refinanzierung durch Gebühren leider wahrscheinlich ist. Die Einrichtung einer Rotlichtüberwachungsanlage am Fußgängerüberweg
in der Ortsmitte von Bühl und die Beschaffung einer zweiten Kamera für die Ortsdurchfahrt Unterjesingen halte ich deswegen
für richtig.
In den Teilorten muss anders gebaut werden als in der Kernstadt. Kompakter Geschosswohnungsbau
passt hier nicht zur Umgebung.
Auch sind große Brachflächen nicht vorhanden. Ich möchte, dass die jungen Leute in den Teilorten nicht wegziehen müssen, wenn sie einen eigenen Haushalt gründen. Für den tatsächlichen Eigenbedarf der Teilorte sollten Baumöglichkeiten vorhanden sein. Innenentwicklung
muss aber auch hier vor Außenentwicklung
gehen. Manche Besitzer von Scheuern und Grundstücken im Ort würde ich gerne im Gespräch davon überzeugen, dass Sie eine Wohnnutzung ihres Eigentums ermöglichen. Auch die Stadt kann hier helfen, wenn sie zum Beispiel Gemeinschaftsschuppen
befördert oder als Vermittler auftritt.
Die Eigenständigkeit der Teilorte zu stärken, bedeutet nach meiner Auffassung auch, ihnen wieder mehr politische Kompetenzen zu geben.
Die Integration in die gemeinsame Kommune
ist so erfolgreich vorangeschritten, dass keine Auflösungsprozesse zu erwarten sind. Ich möchte deswegen den Ortschaftsräten ein Finanzbudget zur eigenen Entscheidung geben. Die Bürgerschaft soll (wie in kleinen Kommunen) die Möglichkeit bekommen, Entscheidungen
direkt demokratisch zu treffen. Dies ist möglich, wenn der Gemeinderat einen entsprechenden Grundsatzbeschluss fasst und sich selbst verpflichtet, solche Entscheidungen
zu akzeptieren. Das politische Leben in einem Ort gewinnt an Bedeutung, wenn Entscheidungen auch im Ort erstritten werden können. Deshalb sollen auch die Stadtteile Derendingen und Lustnau, aber auch die Quartiere WHO, Wanne, Weststadt und Südstadt die eigenen Angelegenheiten direktdemokratisch regeln können.
Es ist für mich selbstverständlich, dass ich mich als OB für die Teilorte genauso interessieren
und einsetzen werde wie für die Kernstadt. Das reiche Vereinsleben, die Feste und Traditionen sind Pfunde, mit denen sich wuchern lässt, die Pflege und Anerkennung verdienen. Regelmäßige Bürgerversammlungen
mit dem OB in den Teilorten sind für mich genauso notwendig wie Bürgersprechstunden des OB auf den Ortsratshäusern und die Präsenz
bei wichtigen Anlässen im Leben eines Ortes.
Tübingen und seine Stadtteile können gemeinsam
noch viel erreichen. Die Stärken und Qualitäten zu fördern, Individualität, Traditionen
und Geschichte zu betonen und dabei die Stadt als Ganzes im Blick zu behalten, muss unser Ziel sein.
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